Die zweite Etappe meiner Reise ist Bungoma County. Hier liegt die Heimat meines Schwiegersohns und hier ist ein Großteil seiner Familie zu Hause. Hier liegt unser „Basiscamp“ für die Tagesreisen ins Umland, auf die Dörfer, zu den Familien und Kindern, die wir von Deutschland aus unterstützen, und über deren Lebensbedingungen ich etwas erfahren will.
Die Familie Kikos gehört zur Volksgruppe der Luhya. Das Wort bezeichnet zum einen eine Ethnie im Westen Kenias, aber auch die Sprache Luhya. Mit fast fünf Millionen Angehörigen stellen die Luhya ca. 14 % der Bevölkerung und sind nach den Kikuyu (mit rund 22 %) die zweitgrößte ethnische Gruppe in Kenia.
Bungoma County gehört zum traditionellen Siedlungsgebiet der Luhya und ist etwa anderthalb mal so groß wie das Saarland. Das County hat 1.670.570 Einwohner (2019) und eine Fläche von 2206,9 km². Der Hauptwirtschaftszweig ist die Landwirtschaft, der Schwerpunkt liegt auf dem Anbau von Zuckerrohr und Mais. Auch Kikos Eltern sind Bauern, die als Selbstversorger von ihrem Land leben und sich ein zusätzliches Einkommen aus dem Anbau von Kaffee erwirtschaften.
An die Stromversorgung sind hier bisher nur 3,1 % der Haushalte angeschlossen. Die Menschen hier sind in der Mehrzahl Bauern, die Selbstversorger-Landwirtschaft betreiben.
Die Stadt Bungoma ist die Hauptstadt des Bungoma Countys und hat knapp 45.000 Einwohner. Sie liegt nahe der Grenze zu Uganda direkt am Äquator.
Ich kann nicht so viel Information über die Provinz Bungoma finden, und das, was ich an Bildern finde, verrät mir, dass ich in eine Gegend fahre, in der Luxus ein Fremdwort ist.
Aber immerhin gibt es hier eine asphaltierte Hauptstraße. Auf dieser Straße reist man in eine andere Welt. Wir sind in Kitale untergebracht, wo ein 4-Zimmer Apartment gemietet haben. Hier haben wir zusammen mit Osama und Nabdi, beides Freunde von meinem Schwiegersohn, die uns auf uns begleiten, unser Quartier. Der dicke SUV, mit dem wir in der Gegend herumkreuzen, gehört Osamas Mutter, die ein Safari Unternehmen hat. Bedenkt man die Straßenverhältnisse abseits der Hauptstraße, ist es auch dringend notwendig ein solches Auto zu haben. Ein normaler PKW würde bei den meisten Nebenstraßen stecken bleiben, weil sie so ausgefahren sind. In unserem „Basiscamp“ haben wir für kenianische Verhältnisse eine Luxusunterkunft gefunden, mit Strom, Trinkwasser aus dem Wasserhahn, Internet, und einer eigenen Küche sowie einem komfortablen Gemeinschaftsraum mit Großbildschirm. Sogar gekocht und gewaschen wird für uns.
Wenn wir dann, wie in den letzten drei Tagen in die Provinz Bungoma fahren, ist das eine Reise in eine andere Welt. In dieser arme Gegend Kenias verirrt sich selten ein Weißer. Ich glaube sogar, dass ich für viele Kinder und Jugendliche der erste Mzungu bin, so nennt man hier die Weißen, den sie in ihrem Leben gesehen haben.
Ich komme nicht mehr aus dem Staunen heraus. Positiv ist die Gelassenheit und Freundlichkeit der Menschen. Negativ die Armut der Bevölkerung in ihren Hütten und Schuppen. Wenn ich etwas mehr Zeit habe, dann werde ich zu diesem Thema einen eigenen Tagebucheintrag machen. Meine Eindrücke und meine Beobachtungen sind so erschlagend vielfältig, dass ich einen ganzen Tag und mehr bräuchte, um das alles schriftlich festzuhalten.
Wir hatten heute den ganzen Tag Elternsprechtag mit unseren Förderkindern der Utubora Primary School. Hier herrschen unfassbare Lernbedingungen. Aber die Kinder sind hochmotiviert und die Eltern anrührend dankbar, dass wir Ihnen mit unseren vergleichsweise kleinen Hilfen eine große Last abnehmen. Angesicht der allgemeinen Lebenssituation der Menschen empfinde ich Scham für unseren Wohlstand und dass wir in unseren Reichtum vor allem die Kinder mit ihren Hoffnungen und Wünschen so alleine lassen. Dabei ist diese Region noch lange nicht die ärmste Ecke von Kenia. Im Norden des Landes leiden die Menschen Hunger. Das hier doch noch besser. Zumindest haben die Menschen dank der mühevollen Arbeit der Kleinbauern wenigstens genug zu essen. Aber immer noch ist die Hacke das wichtigste Werkzeug bei der Bestellung ihrer Compounds, wie sie hier die Äcker rund um ihre Anwesen nennen.
Auch bei diesem Thema wird es nötig sein, die vielen Eindrücke zu verarbeiten, wenn ich wieder zu Hause bin.






